Stuttgarter Zeitung vom 10.05.2005
von Thomas Schwarz

Der DDR-Meister aus dem Remstal Walter Heubach aus Kernen-Stetten war Werksfahrer bei Simson und 1959 Motocross-Landesmeister in der Klasse bis 350 Kubik „Die Zeit bei Simson möchte ich nicht missen.“ Walter Heubach, 1935 in Strümpfelbach im Remstal nahe Stuttgart geboren, erinnert sich gern an seine Zeit als Werksfahrer der DDR-Mopedmarke, die zu seiner großen Zeit auch noch Motocross-Motorräder gebaut hat. Als Westdeutscher in den 50er Jahren in der DDR als Fahrer anzuheuern, dürfte wohl einzigartig sein. Für Heubach bot sich dadurch jedoch 1956 als 21-Jährigen eine Riesenchance. „Ich hatte die Simson-Mannschaft bei einem Rennen in Ansbach kennen gelernt“, erinnert er sich. Das Team war von dem Draufgänger aus dem Schwabenland begeistert und menschlich stimmte die Chemie auch. „Eine Einladung nach der anderen habe ich bekommen.“ Ein Jahr später leihen ihm die DDR-Sportler sogar eine Maschine aus, nachdem sein Motorrad im Training wegen eines Getriebeschadens ausgefallen war. Nach dem Rennen auf der Bernauer Schleife war es dann um Heubach geschehen. „Ich bin direkt vom Rennen mit nach Suhl gefahren.“ Dort wird der Motocrossfahrer offiziell als „Versuchsmechaniker" eingestellt. So nennt man bei Simson die Werksfahrer, zu denen auch Karl Nier und Walter Knoch gehören. Zusammen mit Walter Heubach bilden sie ein Dreigestirn, dass der Marke Simson einen Sieg nach dem anderen einfährt. Für die Rennfahrer ist das auch finanziell von Vorteil: Neben dem Gehalt bekommen sie auch noch die Siegprämien. „Wir haben mehr verdient als die Ingenieure“, erinnert sich der heute 69-jährige Heubach. Und gewonnen hat er oft. 1959 sogar die Motocross- Meisterschaft der DDR in der Klasse bis 350 Kubik. „Wir sind in der ganzen DDR herum gekommen und in den sozialistischen Nachbarstaaten“. Bis nach Tiflis reist das Team, um an Rennen teilzunehmen. „Die sowjetischen Fahrer waren unglaublich trainiert.“ Einem blieb während eines Rennens der dritte Gang hängen. „Der konnte nimmer schalten. Also hat er jedes Mal, wenn es steil den Berg raufging, sein Motorrad unter den Arm geklemmt und angehoben. So ist der den Berg rauf, oben wieder auf die Maschine gesprungen und im dritten Gang weitergefahren. Der hat Oberarme gehabt – Wahnsinn!“ Trotz der Erfolge war 1960 Schluss mit der DDR-Karriere. Mit einem neuen Team-Chef habe er sich nicht vertragen. Das sei ausschlaggebend für ihn gewesen, zu verschwinden – im wahrsten Sinn des Wortes, auch wenn die Grenze damals noch offen war. Am Dienstag nach Ostern reiste Heubach heimlich nach Westberlin, ein neues Angebot hatte er bereits in der Tasche. „Am Ostersonntag hatte ich noch einen Sieg für Simson eingefahren, am Sonntag drauf habe ich auf einer Maico bei Wien gewonnen. An zwei Sonntagen hintereinander habe ich zwei verschiedene deutsche Nationalhymnen gehört. Da bekomme ich heute noch eine Gänsehaut.“ Nachgetragen hat man ihm die Flucht in der DDR nicht, sagt Heubach. Im Gegenteil: Beim AWO-Treffen am 1. Mai diesen Jahres in Suhl wird er von den Veranstaltern auf ganz besondere Weise begrüßt. „Als besonderer Rüpel auf der Rennbahn war Walter Heubach bekannt“, heißt es bei der Begrüßung auf dem Platz der Deutschen Einheit unter dem Applaus der Besucher. In Thüringen ist der Schwabe Walter Heubach bis heute eine Legende.

Walter Heubach 2005 beim AWO-Treffen im ehemaligen Simson-Werk Suhl.