Tagebucheintrag vom 01.01.2006
 
Die Kloester im Tana See - von Steffen
 

Bahir Dhar, den 01.01.2006

Da liegt er nun, der grosse See im Herzen des Aethiopischen Hochlands. Ein starker Wind bringt das Wasser in Wallung und unsere kleine Schaluppe ganz schoen ins Schwanken. Wir sind unterwegs zu den beruehmten orthodoxen Kloestern die auf den siebenunddreissig Inseln und Inselchen verteilt sind. Doch zuerst verspricht unser Guide ein Wildtiererlebniss der besonderen Art, Nilpferde im Blauen Nil, wo auch sonst. Wir tuckern also zum Abfluss des Blauen Nils, vorbei an Papyrussuempfen und begleitet von unzaehligen Voegeln auf der Jagd nach dem Hippopotamus. Ein Fischadler steigt auf, Kormorane schwimmen neben unserer African Queen, doch das Hippo fehlt. Wir erreichen den Abfluss des Abbay wie der Blaue Nil in Aethiopien genannt wird. Im seichten Wasser am Ufer fuehlen sich die Nilpferde nach Aussage unseres Fuehrers besonders wohl. Man muss dazu wissen, dass die Flusspferd Population im Lake Tana nicht mehr allzu gross ist, zu viele Menschen bevoelkern die Ufer des Sees und schraenken den Lebensraum dieser Tiere immer mehr ein.
Das Touristen Hippo hat wohl am heutigen Sonntag und Neujahrstag besseres zu tun und bleibt unauffindbar. Wir nehmen Kurs auf die erste Insel, eigentlich eine Halbinsel, zum Kloster Nummer eins.
Bereits am Landesteg werden wir wie in Aethiopien ueblich von einer zahlreichen Abordnung der oertlichen Jugend erwartet. Die ankommenden Touristen werden gerecht aufgeteilt und dann mit bestem Schulenglisch ausgefragt. Nebenbei werden die Produkte des lokalen Kunsthandwerks angeboten, Mini Papyrusboote, blecherner Silberschmuck, Messgefaesse, etc. In munterer Unterhaltung wird dann die obligatorische Frage nach Stiften und T-Shirts gestellt. Aber die Kids sind wirklich freundlich und irgendwie macht es auch spass mit den Jungs ( es sind nur die Jungs ) so plappernd durch den Wald zu laufen. Ueberall wachsen die wilden Kaffeestraeucher mit den roten Kaffeekirschen. Im Hochland von Aethiopien wachsen mit die besten Arabica Kaffees der Welt.
Schliesslich erreichen wir die Ladenstrasse vor dem Klostereingang. Hier werden diesselben Sachen noch einmal, etwas professioneller angeboten.
Im Kloster erwartet uns dann der Priester mit dem Quittungsblock. Pro Person und Kloster betraegt der Eintritt 20 Birr, dass sind ungefaehr 2Û. Die Aethiopische Kirche finanziert sich aus Spenden.
Urspruenglich war die orthodoxe Kirche eine Staatskirche, saemtlicher Grund und Boden gehoerte der Kirche, der Kaiser war auch gleichzeitig Kirchenoberhaupt. In diesen Goldenen Zeiten flossen ueppige Steuereinnahmen in die Kloester, die Finanzierung der teilweise recht pompoesen Bauwerke war sichergestellt.
Im modernen Aethiopien hat sich die Situation komplett gewandelt. Jeglicher Grund und Boden gehoert dem  Staat, privaten oder kirchlichen Grundbesitz gibt es nicht. Mit der Trennung von Staat und Kirche verlor die Geistliche Kaste ihre Steuereinnahmen.
Doch jetzt gibt es ja uns Touristen. Das Spiel mit dem Eintritt wiederholt sich in allen drei Kloestern die wir besuchen. Dafuer oeffnet ein Laienpriester, Dekan genannt, dann auch die tueren der Rundkirche und wir duerfen die ikonenhaften Malereien im Innern betrachten und fotografieren.
Beim dritten und letzten Kloster des Vormittags muessen die weiblichen Besucherinnen am Landesteg bleiben. Frauen und weibliche Tiere duerfen den Klosterbereich nicht betreten. Wie dass bei den unzaehligen Voegeln und Eidechsen kontrolliert wird bleibt raetselhaft. Tapfer stolpern wir durchs Unterholz zum Kirchenhuegel.
Wahrscheinlich gelte ich als Kulturbanause, aber das Programm ist exakt dasselbe wie in den vorangegangenen Kloestern.  Durchaus sympathisch, aber auf die Dauer doch auch ein wenig ermuedend.
Jendenfalls sind wir alle recht gluecklich als wir nach abermals wilder Bootsfahrt den Anlegesteeg unseres Hotels erreichen.
Unser Weg fuehrt uns geradewegs ins naechste Restaurant. Einmal Spaghetti und einmal Injera sind der Lohn fuer den kulturellen Vormittag. Die Italiener konnten Aethiopien nie kolonialisieren, aber dankenswerterweise hinterliessen sie bei den Aethiopiern die Liebe zu Pasta, suessem Kuchen und hervorragendem Kaffee. Nach dem Essen sitzen wir also im Kaffeehaus und geniessen den besten Macchiato der Welt.

 
 
 
 
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