Tagebucheintrag vom 05.12.2005
 
Special: Aegypten und die Aegypter - von Claudia
 

Aegypten und die Aegypter sind wie sie sind! Einem Reisenden der zum ersten Mal ein arabisches Land besuchen moechte, wuerde ich als Einstieg Jordanien oder Syrien als Ziel empfehlen und nicht Aegypten. Denn es koennte ein falsches Bild entstehen. Natuerlich hat jedes arabische Land seine Besonderheiten, so wie auch jedes europaeische Land nicht mit dem Nachbarland zu vergleichen ist. Aegypten lockt mit steinernen Sehenswuerdigkeiten, mit Sonne, Meer und Strand. Touristen bringen Geld ins Land. Am liebsten Pauschaltouristen, die nur eine maximal zwei Wochen bleiben. Die ein Strandhotel buchen, sich ab und an zu Ausfluegen verleiten lassen, ansonsten essen, trinken und Souvenirs einkaufen und dann wieder ausfliegen und fuer neue Konsumenten Platz machen.
Leider gibt es auch ein paar Individualtouristen, manche davon sogar mit eigenem Fahrzeug und diesen wird der Aufenthalt in Aegypten sehr schwer gemacht. Doch davon spaeter. Auch die Pauschaltouristen haben einiges ueber Aegypten zu berichten. Ausser den wirklich schoenen und interessanten Sehenswuerdigkeiten gibt es ja auch noch die aegyptische Bevoelkerung und ein Teil davon hat sich auf die Touristen eingestellt. Nirgendwo hat man ploetzlich so viele Freunde wie hier "Hello my friend" schallt es aus jedem Shop, kommt der Haendler eilends auf den Touristen zu, laeuft der Feluccakapitoen oder der Droschkenfahrer neben einem her. "Look at my..." Von Balkon des Hotelzimmers in Hurghada laesst sich dieses Spiel auf der Strasse sehr schoen verfolgen. "Der Tourist" biegt um die Ecke, "der Haendler" springt auf und laeuft auf den Touristen zu, die Schritte des Touristen beschleunigen sich, der Haendler erklaert, zeigt, versucht evtl. dem Tourist oder der Touristin etwas in die Hand zu druecken, der Tourist beschleunigt seinen Schritt noch mehr, der Haendler haelt mit... Manchmal ist es fuer beide ein Spiel und es entsteht eine unausgesprochene Kumpanei, manchmal ist es fuer beide ein Kampf. Mit den Touristen, mit denen wir gesprochen haben, geht dieses Verhalten spaetestens nach ein paar Tagen auf den Geist und viele laufen mit versteinerter Mine und schnellem Schritt durch die Gassen. Schade, denn es gibt in diesen Gassen viel zu entdecken und schade, denn es gibt viele nette Aegypter und Aegypterinnen. Kommt man mit den Leuten ins Gespraech (mit dem jungen Mann, der Tauchlehrgaenge in Dahab anbietet, mit dem Teehausbesitzer um die Ecke, mit den helfenden Leuten im Hotel, mit dem Handwerker in seinem kleinen Laden) so stellt sich heraus, dass sie nett, freundlich und hilfsbereit sind. Die Leute wollen leben und die Touristen bringen viel Geld mit. Ein normaler Polizist verdient wohl um die 500 Egypt Pound im Monat, das kann ein ein Feluccakapitaen in Assuan in der Woche verdienen. Leute, die mit Touristen arbeiten verdienen sehr viel mehr Geld wie die ganzen Handwerker, Angestellten... die nichts mit Touristen zu tun haben. Daher entsteht bei vielen der Gedanke, doch auch am Tourismus zu verdienen. Die Einkommensunterschiede sind wohl enorm.
Ein weiteres bekanntes Problem, das hierzulande Bakschisch genannt wird, hat auch mit den unterschiedlichen Einkommensverhaeltnissen zu tun. Nichts laeuft ohne "unter der Hand Bezahlung". Vor allen die sogenannten Offiziellen wie die Polizei, Mitarbeiter von Aemtern...  sind fast alle, um es ganz hart zu sagen, korrupt. Dass fuer Dienstleistungen z.B. im Hotel ein Obolus abspringt ist normal, dass aber die eigenen Leute fuer ihre taeglichen Dienstleistungen bei der Obrigkeit Sonderzahlungen zu leisten haben, ist mit ein Grund fuer die immer groesser werdende Unzufriedenheit. Die polizeilichen Strassensperren haben sich vervielfacht. Die eigenen Leute muessen, wenn sie von A nach B reisen wollen oft genug bei der oertlichen Polizei antanzen und eine Genehmigung einholen, diese klappt natuerlich am Besten, wenn ein paar Scheine ueber den Tisch gereicht werden. Dann geht die Fahrt los und die erste der vielen fest installierten Strassenkontrollen kommt. Hier wird natuerlich gefragt, wohin und woher und warum und was man denn so an Gepaeck dabei hat. Dies laesst sich abkuerzen durch einen Obolus. Das dumme ist nur, dass 30 bis 50 km spaeter der naechste Polizeiposten ist. Dass dies eine gaengige Praxis ist, haben wir waehrend unserer zwei Pick-up Fahrten erlebt. Da wir bestimmte Strassen nicht befahren durften, mussten wir unsere Moped auf Pick-ups verladen. Unserem ersten Fahrer wurde gleich von der ersten Strassenkontrollstelle in Marsa Alam deutlich gemacht, dass er bei der Heimfahrt hier gefaelligst was abzudruecken habe, den schliesslich verdiene er jetzt eine ganze Menge damit, dass er uns nach Edfu fahren kann. Die Polizisten hatten wohl Skrupel ihm gleich das Geld abzufordern, waehrend wir dabei sassen und alles interessiert verfolgten und sie wissen ja, dass das Geld erst bei der Ankunft ausbezahlt wird. Genauso erging es dem zweiten Fahrer. Obwohl wir polizeilich angemeldet waren und eine Sondergenehmigung hatten und auch schon durch einige Kontrollen ohne Aerger hinter uns hatten, war dann irgendwann Schluss und der Fahrer musste ein kleines Scheinchen rueberreichen fuer die Weiterfahrt. Waehrend der morgendlichen stundenlangen Wartezeit an der Strassenkontrollstelle Marsa Alam/Edfu konnte ich auch genau beobachten wie geschickt die LKW- und Busfahrer ihr bereitgelegtes Geld den Polizisten per Handschlag uebergeben und wie schnell dann die Abfertigung von Statten geht. Viel bleibt so vom Verdienst des LKWfahrers nicht uebrig. Er muss also auch wiederum versuchen, irgendwo und bei irgendjemandem das Geld draufzuschlagen. Also kostet es den Haendler etwas extra dass auch rechtzeitig geliefert wird. Der Haendler muss dies auch wieder irgendwo draufschalgen... Ein Teufelskreis. Die Korruption ist seit Jahren bekannt. Die einfachen Leute zahlen sich fuer jede Dienstleistung dumm und daemmlich, die einfachen Offiziellen sind auf diesen Zusatzverdienst angewiesen, weil sie sonst ihre Familien nicht ernaehren koennten. Die Bevoelkerung ist muerbe und der Korruption ueberdruessig. Die politische Situation spitzt sich wohl auch deshalb zu.
Zur Zeit sind Wahlen in Aegypten. Wie demokratisch diese Wahlen sind, laesst sich als aussenstehender Tourist nicht ermittelt. Aber man kann es sich denken, wenn man weiss seit wann dieses Land von einem Mann und einer Partei regiert wird. Vor unserer Einreise nach Aegypten kam es bei den ersten beiden Wahlgaengen zu groesseren Ausschreitungen. Anhaenger der Regierungspartei versuchten massiv Waehler an der Teilnahme der Wahl zu hindern. Das Polizeiaufgebot im ganzen Lande ist sehr gross. Der letzte Wahlgang wird diese wird diese Woche abgeschlossen. Dass die Muslimbruderschaft auf Sympathie bei vielen Armen stoesst ist nachvollziehbar, denn sie hat in den Armenvierteln (und davon gibt es viele in Aegypten) ein Netz karitativer Einrichtungen geschaffen. Fuer uns Touristen kommt (meistens) Wasser aus der Leitung und Strom ist auch kein Problem. Anders in den Slums der Staedten und auf dem Land. Und genau hier setzen die Fundamentalisten an. Verbesserungen der Infrastruktur, Versorgung der Armen und Alten mit Nahrungsmittel und und und... Auf relativ kleinem Raum (Niltal) leben sehr viele Menschen. Rechts und links davon ist die grosse Leere, die Wueste. Den gesamten Nilbereicht unterhalb von Kairo bis Luxor hat die Regierung nicht mehr unter Kontrolle. Ich bin gespannt, wie sich die Situation weiterentwickelt. Ob die Regierung Veraenderungen oder nur Machterhalt anstrebt.

Was gibt es noch ueber Aegypten zu sagen? Die Landschaft:
Aegypten besteht landschaftlich aus mehreren sehr verschiedenen Teilen. Der Sinai, eine karge schoene Berglandschaft mit touristischen Badeorten an den Raendern. Die Rote Meer Kueste mit ihren haesslichen Touristenorten (finde ich wirklich) und toten Resortanlagen. Kilometerlang finden sich am Roten Meer diese Anlagen. Am Meer gelegen und gleichzeitig mitten in der Wueste, kein Baum, kein Gruen und dann eine abgeschirmte, mauerumgebene Touristen-Trutzburg mit Springbrunnen, Palmenanlagen und langem Sandstrand. Die Wueste: nicht unbedingt die Wueste wie man sie sich so vorstellt, gelber feiner Sand und weite Duenen, sondern oft grau und steinig. Doch dann tauchen ein paar Kamele am Strassenrand auf, eine weite gelbe Sandebene oeffnet sich, ein einsamer Baum trotzt der Sonne. Das gruene Nilband. Fast ein Wunder, wenn man durch die Wueste faehrt und ploetzlich tauchen Zuckerrohrfelder, Eselgespanne hochbeladen mit Gemuese und Palmenalleen auf. Alles ist in ein frisches Gruen getaucht, alles wird hektisch und lebhaft, Wasser fliesst durch die vielen Bewaesserungskaenale und die Landwirtschaft ist in vollem Gange. Ein Land mit grossen landschaftlichen Gegensaetzen, ein Land grossen Gegensaetzen insgesamt.

Gibt es auch noch etwas positives ueber Aegypten zu berichten? Natuerlich z.B.
In Kairo im Teehaus zu sitzen und die Zeit vorbeistreichen zu lassen, in Dahab in einem kleinen Restaurant auf malerisch auf ausgebreiteten Kissen mehr zu liegen als zu sitzen und dem Meer zu zuschauen, in Assuan den unglaublich blauen Nil mit vielen unglaublich weissen Booten vor unglaublich gelben Sandduenen und unglaublich blauem Himmel zu bewundern. Staunden vor den Pyramiden zu stehen und deren Entstehung nicht zu verstehen, die wunderschoenen Gemaelde in den Graebern der Koenige zu betrachten, das Chaos im grossen Aegyptischen Nationalmuseum zu registrieren, koestlichen Kuchen in einer von Alexandrias beliebten Konditoreien  zu naschen, zum zweiten Mal zum gleichen Schulladen zu gehen und unter dem Kicheren und der allgemeinen Freude der Angestellten noch ein paar Schuhe zu kaufen, die gute Kueche geniessen (Kosheri ist immer noch mein Favorit) und versuchen mit den Menschen ins Gespraech zu kommen um eine Bruecke zu schlagen.

Jetzt noch etwas zu den Individualtouristen. Ich kann es zur Zeit niemandem empfehlen mit dem eigenen Fahrzeug nach Aegypten zu reisen. Neben den zeitaufwaendigen und kostspieligen Einreiseformalitaeten ist der Verkehr wirklich gefaehrlich. Die Autos und Busse sind schnell, die Strassen gut, also wird gerast. Die LKW sind oft alt und ueberladen, viele langsame Gefaehrte wie Fahrradfahrer, Eselkarren und Fussgaenger sind auf der Fahrbahn unterwegs. Es wird gnadenlos ueberholt und gejagt. Die Bewegungsfreiheit aller Individualtouristen ist eingeschraenkt. Wie geschrieben ist das gesamte Niltal zwischen Kairo und Luxor und das Gebiet zwischen dem Roten Meer und dem Nil im Prinzip nicht individuell zu bereisen. Aus Assuan und Luxor kommt man als Tourist nur im Konvoi oder mit speziellen Touristenzuegen heraus. Die Individualtouristen muessen die bereitgestellten (natuerlich teuren) Busse oder spezielle Taxis nehmen, die dann im schwerbewachten Konvoi einmal taeglich von Assuan nach Luxor oder umgekehrt oder gleich bis Kairo durchrasen. Der Konvoi haelt nur in ausgewaehlten Staedten fuer eine bestimmte Zeit. Mit dem Zug das Niltal zu bereisen ist angenehmer, aber auch hier stehen nur 3 spezielle Touristenzuege pro Tag zur Verfuegung. Doch damit laesst es sich sehr gut reisen. Die anderen regulaeren Zuege, die auch ueberall halten, sind fuer Touristen verboten. Auch mit einem aegyptischen Mietfahrzeug hat man die selben Probleme. An der ersten Strassenkontrolle wird man herausgezogen und auf den Konvoi verwiesen. Sondergenehmigen sind zu erhalten, das dauert und/oder kostet und bedeutet dann oft, dass ein Polizeifahrzeug vorn einem draus faehrt und man also wieder keine Chance hat irgendwo wo es einem gefaellt anzuhalten. Die Situation ist rund um Alexandria, an der Mittelmeerkueste, am Roten Meer und auf dem Sinai besser. Staendige Checkpoints sind auch hier eingerichtet, doch kann der Tourist nach Befragung und Kontrolle des Passes weiterfahren. Am besten ist Aegypten pauschal gebucht zu bereisen. Eine Nilschiffsreise bietet fast alles und bringt die Touristen an die Ausgrabungsstaetten, kommt dann noch eine Woche Badeurlaub am Meer dazu, duerften fast alle zufrieden sein.
Ich persoenlich finde ja ein Konvoi mit Touristen ist ein optimales Anschlagsziel fuer Terroristen. Es bietet sich kaum eine bessere Gelegenheit mehr Aufmerksamkeit in Welt zu finden und mehr Schaden fuer die Regierung anzurichten, als ein paar Touristen in die Luft zu jagen und dazu bietet sich so ein Bustros doch geradezu an. Daher verstehe ich zum einen nicht, dass die Regierung diese Konvoipflicht beibehaelt und ich verstehe auch nicht, dass manche Touristen sich dadurch sicherer fuehlen. Ich fuehle mich dabei gefaehrdeter wie wenn ich alleine oder in kleiner Gruppe unterwegs bin.

 
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