Tagebucheintrag vom 21.11.2005
 
Special: Jordanien - von Claudia
 

Ein Touristenland ohne Touristen

Eine Woche nach den schrecklichen Selbstmordanschlaegen auf drei 5Sterne-Hotels in Amman kommen wir in Jordanien an. Was erwartet uns? Ueber Jordanien habe ich gelesen, dass sich der ausgeweitete Tourismus (seit die Grenzen von/zu Israel offen sind, kommen viele Tagestouristen) auch negativ auf das Land ausgewirkt hat. Von Belaestigungen alleinreisender Frauen, von Diebstaehlen und aufgebrochenen Wohnmobilen war zu lesen.
Als erstes, ausserhalb der Grenz- und Zollstation, begegnen wir Kamil Al-Azizi. Wir sind gerade dabei unsere Schwalben im Vorhof einer noch im Bau befindlichen Tankstelle aufzutanken, als ein freundlicher aelterer Herr fragt woher wir kaemen. Auf unsere Antwort "Deutschland" hellt sich sein Gesicht noch mehr auf und er antwortet auf deutsch. Herr Al-Azizi hat in der DDR studiert, dort seine grosse Liebe kennengelernt und geheiratet, beide sind nach Syrien gezogen, 1991 noch mal fuer ein Jahr nach Deutschland gegangen, doch dann entgueltig zurueck nach Syrien. Wir werden zu einem Tee auf der Baustelle eingeladen und Herr Al-Azizi erzaehlt und wir fragen, auch ein Telefonat mit seiner Frau kommt zustande. Wir fragen auch nach den Anschlaegen von Amman. Herr Al-Azizi sagt, dass die jordanische Bevoelkerung diese Art des Kampfes ablehnt. Unschuldige zu toeten koenne nie ein Mittel sein. Jedoch sei die Situation in der Gegend sehr gespannt. Die amerikanische Einmischung im Irak wird von der Mehrheit der Bevoelkerung, im Gegensatz zur Regierungspolitik, abgelehnt.  Jordanien steht zwischen den Fronten. Auf der einen Seite versucht die jordanische Regierung eine Duldungs-Politik mit Israel und erlaubt den USA die Durchfahrt durch ihr Hoheitsgebiet nach Jordanien, auf der anderen Seite gehoert Jordanien zu den arabischen Staaten und versucht auch hier eine friedliche Koexistenz mit den Nachbarstatten. Und dann noch die Touristen. Eine wichtige Einnahmequelle. Ein Ballaceakt der dem neuen Koenig Abdullah nicht so wirkungsvoll gelingt wie seinem populaeren Vorgaenger und Vater Hussein. Touristen sind willkommen und gesucht.
Wir waren in den Touristenhochburgen Karak, Petra und Amman und es ist "tote Hose". Der Hotelbesitzer in Petra sprach von Einbussen durch die Anschlaege und auch in Petra selber, einem Highlight Jordaniens waren nicht die erwarteten 3000 Besucher pro Tag sondern maximal 800. Und wir sind in der Hochsaison unterwegs. Dabei hat Jordanien einiges zu bieten und ruehmt sich, das stabilste Land im Nahen Osten zu sein und Besucher (anders wie einige Nachbarlaender) willkommen zu heissen. Eine verfahrene Situation.
Wir wurden ueberall sehr freundlich aufgenommen und die Leute helfen uns immer weiter.
Amman ist eine topographisch sehr verwirrende Stadt, erbaut auf vielen, scheinbar sieben Huegeln. Wir fahren und fahren in die Stadt hinein, werden von freundlichen Menschen immer auf den rechten Weg gewiesen und landen tatsaechlich da wo wir hinwollen.
Durch die Huegellage kommt es zu interessanten Aussichten und staendigem bergauf und bergab. Doch die Charme von Allepo und Damaskus erreicht Amman nicht. Jordanien ist ein sehr westlicher und modernen Staat und genauso westlich und modern ist Amman. Wir vermissen etwas den "Orient". Auf unserem weiteren Weg nach Karak und Petra wird vor allem eins deutlich: die Topographie des ganzen Landes ist schwierig. Ein ewiges auf und ab, ein Wadi folgt dem anderen, ein grossartiger Ausblick folgt einer steilen Abfahrt. Wir waren nicht auf diese steilen Berge vorbereitet. Und nach dem Aufstieg vom Wadi Mujib stehen wir fasziniert vor einem 1km tiefen und 70 km langen Canyon.
Hier begegnen wir Abdul Razaq Awad, dem Besitzer des Trajan Rest House, eines wunderschoenen Restaurants mit einem grandiosen Ausblick in den Wadi. Herr Awas hat 1959 in Stuttgart studiert und danach in Syrien als Reisefuerer gearbeitet, er spricht mehrere Sprachen und hat sich vor Jahren dieses Restaurant gebaut. Auch mit ihm kommen wir zu politischen Themen ins Gespraech und er erzaelt von den Teuerungen der Lebenshaltungskosten, von 17% Mehrwertsteuer und davon, dass die Armut in Jordanien groesser wird. Wir haben bisher keine Armut hier gesehen, aber als durchfahrender Tourist wird einem dies auch nicht so augenfaellig gemacht. Die Haeuser sind moderner und bunter als in Syrien, die Autos neuer und gut in Schuss. Bleiben natuerlich jetzt die Touristen weg, wird es bitter fuer das Land. Viele Leute haben auf  die steigenden Touristenzahlen gesetzt und sich ein kleines Hotel, ein Restaurant, einen Fahrdienst oder eine Reiseagentur aufgebaut. Bleiben jetzt die zaehlenden Gaeste aus, geraten die Leute in Schwierigkeiten. Eigentlich gibt es auch keinen Grund nicht nach Jordanien zu fahren. Das Land erscheint uns sicher, die Leute sind freundlich und hilfsbereit, die Infrastruktur ist sehr gut und zu sehen gibt es auch fr fast jeden Geschmack etwas.
Und das Wetter ist hier am Roten Meer in Aqaba auch endlich so wie ich es mir erhoft habe: Sonnig und warm. Aqaba ist eh eine sehr schoene und sehr entspannte Stadt, so richtig um nach ein paar anstrengenden Besichtigungstagen am Meer eine Ruhepause einzulegen.
Was uns als Zweiradfahrer besonders auffaellt: es gibt keine Zweiraeder. Als Einzige fahren Polizisten in Amman grosse Hondas und wir haben drei kleinere Mopeds in Amman gesehen, die wie Kurierdienste aussahen. Wir wissen aus der Literatur, dass Motorradfahren in Jordanien lange Jahre verboten war, da es als zu gefaehrlich gilt. Seit einigen Jahren duerfen Touristen mit Zweiraedern zwar einreisen, wir haben aber nur eine Genehmigung fuer 14 Tage erhalten. Scheinbar, so wurde uns jetzt hier erzaelt, sei das Verbot seit wenigen Monaten aufgehoben. Doch zu sehen sind noch keine Mopeds.
Ein interessantes Detail: Wir haben eine Autobiographie von Koenigin Noor im Schaufenster eines Buchladens gesehen und auf dem Cover ist sie und ihr Mann Hussein auf einer Harley in der Wueste Jordaniens fahrend, abgebildet.

 
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