Tagebucheintrag vom 14.11.2005
 
Special: Syrien von Claudia
 

Wanderer kommst du nach Hama - dann wohne im Hotel Cairo, und überhaupt Leute, kommt nach Syrien.
Ein paar Bemerkungen zu Syrien
Die Menschen:
Die Menschen in diesem Land sind sehr freundlich, hilfsbereit und zurückhaltend. Wer jemals in Ägypten war, weiß letzteres sehr zu schätzen. Wir können einfach so in einem Park sitzen, sind zwar "die Attraktion" mit unsere Mopeds bzw. wir werden beachtet, mit Blicken auch mal mit einen "Hello" oder einem "Be welcome" bedacht, aber wir sitzen gemütlich hier rum, essen eine Kleinigkeit und strecken die Nase in die Sonne. In Ägypten wären wir ständig von dutzenden Leuten umringt, die irgendetwas anbieten, nicht böse, alle sehr nett, aber auf Dauer kann dies nerven. Trotzdem kommt man, wenn man will, leicht ins Gespräch mit den Menschen. Viele Syrier sprechen französisch, ich hätte ja gedacht, dass mehr englisch gesprochen wird, aber wir haben auch immer wieder Personen die deutsch sprechen getroffen. Einige haben in Deutschland gearbeitet oder studiert.Schon bei der Einreise haben wir die Syrer als sehr kompetent und höflich kennen gelernt. Die Grenz- und Zollformalitäten waren gut organisiert, englisch- und französischsprachige Formulare lagen aus, es wurde zügig abgewickelt. Mit Geldtausch, Carne de Passage abstempeln und einem Kaffee beim mobilen Kaffeehändler (er sprach radebrechend deutsch, für die wichtigsten Fragen "Ehefrau?" und "Kinder?" hat es gereicht, er war mit der Antwort "ja", "Zwei Söhne" zufrieden) brauchten wir gerade mal ne knappe Stunde.
"Die Syrier" gibt es sowenig wie es "die Deutschen" gibt. Das Erscheinungsbild der Bevölkerung ist bunt, sowohl im Habitus (ich habe noch nirgends so viele rothaarige und sommersprossige Menschen gesehen) als auch in der Kleidung. Neben komplett schwarz verhüllten Schiitischen Frauen laufen junge westlich gekleidete Studentinnen durch die Altstadt von Aleppo. Die Dörfer auf dem Weg zur Kreuzfahrerburg Krak de Chevaliers sind mehrheitlich christlich und kein Kopftuch bedeckt die meist kurzen Haare der Damen. Freitags, am Feiertag, laufen herausgeputzte Jünglinge in modischen Jeans und Hemd durch den Park von Hama und treffen auf rosafarben gekleidete weibliche Teenies. Natürlich es gibt kein bauchfrei, keine kurzen Hosen und Hemden, keine nackten Oberarme, dafür ganz Verhüllte mit Stöckelschuhen und Perlenhandtäschchen. Die Damaszener Frauen sind eleganter und tragen gewagter Kleidung. Der letzte Chic sind asymmetrisch geschnittene Röcke und Stiefel mit sehr hohen Absätzen, alles passend Ton in Ton mit der Hauptfarbe des Winters braun und beige.
Die Gesellschaft
Auf mich wirkt die syrische Gesellschaft wie im Spagat zwischen Tradition und westlichem Werbefernsehen. Seit 2002 ist Internet in Syrien erlaubt und die Internetcafes schossen wir Pilze aus dem Boden und sie sind immer gut besucht. (Wir Touris müssen anstehen um unsere Nachrichten loszuwerden - das ist richtig gut) Nicht nur die Jungend will sich informieren, auch "ltere Herren sitzen hier und surfen. Die syrische Regierung hat das Informationstor geöffnet, kontrollieren lässt sich der Inhalt nicht, das haben die Behörden wohl schnell eingesehen und lassen dies auch sein. Ein Schritt in die richtige Richtung. Von den bestimmt vorhandenen Repressalien der Bevölkerung bekommen wir nichts mit, aber auch unsere Gesprächspartner auf der Strasse und im Hotel äußern sich nicht negativ über ihr Land. Die Jugend will vor allem eins: Konsum. Irgendwie scheint dies inzwischen auf der ganzen Welt der Konsens zu sein. Sie wollen besser leben, Arbeit haben, gut verdienen, sich etwas leisten können...
Wir treffen in Hama auf Raed, einen jungen Sprachstudenten und unterhalten uns bei einem Tee mit ihm über die Gesellschaft, die Politik... Wir fragen ihn ein bisschen über das Lebensgefühl der Jugend aus. Er meint, "alle" Syrier wären für ihren Präsidenten und er sein sehr gut für das Land. Seit der Machtübernahme von Bashir al-Assad im Jahre 2000 seinen Veränderungen zu spüren. Der Präsident lässt sich mit seiner ( Klein-)Familie fotographieren und propagiert die Zwei-Kind-Familie, eine Neuerung in einem Land in dem 40% der Bevölkerung unter 14 Jahren ist und die Geburtenraten jahrelang sehr hoch lag. Auch Raed möchte nur ein Kind und geheiratet wird erst nach Abschluss des Studiums. Seine Verlobte studiert ebenfalls Sprachen, beide wollen Lehrer werden. So kurz nach den schrecklichen Anschlägen in Amman sprechen wir auch über Jordanien. Raed meint, der jordanische König wäre schlecht für sein Land bzw. für die Araber, da er ein zu gutes Verhältnis zu Israel pflegt. Ein schwieriges Thema in einem Landstrich der seit Jahrzehnten nicht zur Ruhe kommt und auf dessen Boden so viel Blut geflossen ist. Das Machtstreben der USA tun ein übriges. Dass die USA zur Zeit bei der Bevölkerung Syriens nicht sehr beliebt ist, ist anhand der Äußerungen der "Achse des Bösen" und der Sanktionen die die USA über Syrien verhängt hat kein Wunder.
Der Verkehr
Einzig der Verkehr ist eine Herausforderung. Wir auf den Schwalben sind nicht die Größten und nicht die Schnellsten und so rast einfach alles an uns vorbei, links und rechts versteht sich. Auf der Landstraße und der Autobahn ist dies kein Problem, da kommt man irgendwie aneinander vorbei und auch Gegenverkehr auf der eigenen Spur stört nicht wirklich. Aber in der Stadt wird es dann interessant. Dreispurige Stadteinfahrt in Aleppo, genutzt wird diese als sechsspurige Rallyebahn. Berufsverkehr, ca 1 Million Taxis (grobe Schätzung und immer in Eile), dazwischen Minibuse (die haben die Vorfahrt gepachtet), ein paar große Busse und viele LKWs (etwa doppelt so hoch wie die Schwalben und mindestens vierfach so breit) - das hat mir keinen so richtigen Spa§ gemacht. Wenn man weiß wohin geht es ja noch, wenn man aber auch noch versucht nebenher irgendwelche Schilder zu entziffern und wieder mal entdeckt, dass man auf der ganz rechten Seite fahrend auf die ganz linke Abbiegespur muss, dann wird es chaotisch und womöglich gefährlich. Immerhin bekommt man so langsam die Regeln raus. Die wichtigste Regel ist hupen. Das hat uns auch Omar vorgemacht. Vor jedem Überholen, vor jedem Abbiegen, vor dem überfahren roter Ampeln und wenn eine Seitenstrasse einbiegt - immer hupen, d.h. also ständig. Dies zeigt dem Vorder- und Seitenmann an dass man kommt und er Platz machen soll oder zumindest auf seiner Seite bleiben soll. Komischerweise klappt das System eigentlich ganz gut und so ganz langsam gewöhnen wir uns daran. Auf der Fahrt nach Damaskus habe ich es dann selbst ausprobiert - und tatsächlich es klappt. Die Einfahrt nach Damaskus war dann auch nicht mehr so irritierend, wenn auch wieder chaotisch, aber sobald der Verkehr mal fast zum erliegen kommt, kommen wir mit unseren Zweirädern auch ganz gut durch. In Aleppo und vor allem in Hama fahren noch viele Oldtimer herum und die Leute sind stolz auf ihre Schlachtschiffe. Wir sind mit Omar in einem Heckflossen-Mercedes Baujahr 1967 durch die Lande gefahren und das Auto wird liebevoll gepflegt. NatŸrlich auch weil neuer Autos teuer sind und sich die wenigsten Syrier Ÿberhaupt ein Auto leisten kšnnen. Das Transportmittel inner Orts und auf dem Lande ist das Zweirad. Es passen entweder 4 Jünglinge oder eine fünfköpfige Familie oder vorne und hinten ein Sack Kartoffeln drauf. Erfindungsreichtum ist immer gefragt. Die dreirädrigen Kleintransporter transportieren das vielfache ihres Gewichtes und in einen Minibus geht immer noch einer rein. Natürlich ist Damaskus auch hier die Ausnahme.
In der Hauptstadt ist fast kein Zweirad zu sehen, die Taxidichte ist dafür ganz enorm und die Autos sind eindeutig jüngeren Datums.

Das Essen.
Also das Essen ist ein wirkliches Gedicht. Wobei wir bisher nicht "richtig" Essen waren, also in keinem "richtigen und noblem" Restaurant, sondern immer in kleinen Buden mit drei, vier Tischen, Enge und vielen Menschen. Und dort gibt es ganz hervorragendes Essen, gerade auch für Vegetarier. Hummus, Fuul (Bohneneintopf), Falafel, Käsecrepe... dazu immer Salat, MixPickles, frische Minze... Dazu die regionalen SpezialitŠten wie z.B. kleine Käse-Pizzen in Hama oder den flüssigen Vanillepudding in Aleppo. Und dieses Essen ist sehr günstig. Wir vermuten, dass auch hier, wie in einigen anderen arabischen Ländern das "Arme-Leute-Essen" Falafel und Brot vom Staat subventioniert wird. Als Getränk stehen, neben dem Wasser, das immer auf dem Tisch steht und kostenlos angeboten wird, süße Limonaden, schwarzer Tee mit viel Zucker und kardamongewürzter Kaffee zur Auswahl.
Überhaupt das Süße: die Syrier lieben Süßigkeiten. Es gibt überall Konditoreien, Süßigkeitenverkäufer, große Mengen an Kuchen, Plätzchen und süßen Nachtischen. In den Konditoreien wird vieles nach Gewicht verkauft und die Kšstlichkeiten werden in gro§en Mengen Ÿber die Ladentheke gereicht. Eine wirkliche Bereicherung sind auch die Saftshops die es an jeder zweiten Ecke gibt. Dort wird frischer Saft gepresst und es stehen viele leckere Kombinationen zur Verfügung.

So jetzt noch eine kurze Bemerkung zur Überschrifta: Hama ist eine sehr entspannte und grüne Stadt, man kann im Park sitzen und gut essen, alles nicht so hektisch wie in den Großstädten (Aleppo und Damaskus) Und Hama ist ein guter Ausgangspunkt fuer viele Besichtgungen im weiteren Umfeld. Das Hotel Cairo ist sehr zu empfehlen, weil es günstig ist, sehr sauber und nettes hilfsbereites englischsprachiges Personal da ist. (Werbung und ich bekomme noch nicht einmal etwas dafuer)
Syrien ist ein Reiseland, weil es noch kein "Reiseland" ist. Noch kommen keine TUI-Buslandungen zu den vielen hier vorhandenen historischen Stätten. Trotzdem ist eine breite touristische Infrastruktur vorhanden. Hotel, Verpflegung und Transport ist kein Problem. Genügend anzuschauen gibt es, schließlich waren die Kreuzfahrer hier - wobei ich mich schon frage, was diese eigenlicht so weit weg ihrer Heimat wollten. Wobei, wenn ich mir das damalige europäische Mittelalter anschaue und schaue wie weit die Kultur damals hier entwickelt war... Städte wie Aleppo und Damaskus sind sehr sehenswert und die Mentalität "der Syrier" ist sehr angenehm. Daher möchte ich trotz oder gerade wegen der in den Medien so oft zitierten "Achse des Bšsen" für die Reise nach Syrien werben. Für Touristen ist das Land sehr sicher, wir hatten nirgends irgendwelche Probleme und können uns auch Nachts gefahrlos überall hinbewegen, auch mit der Kamera um den Hals. Und auch ich als Frau habe keine Probleme in diesem Land. Normalerweise werde ich nicht angesprochen, angesprochen wird der Mann. Stehe ich irgendwo auf der Strasse rum, so stehe ich halt da und Basta. Als wir die Mopeds auf der Straße vor dem Hotel in Hama repariert haben, sind immer wieder Leute stehen geblieben und haben geschaut oder auch nachgefragt. Danach stand ich ca. 1 Stunde allein auf dieser Strasse rum und habe fotographiert und gewartet und wurde nicht angesprochen - ein syrischer Mann spricht eine fremde Frau nicht grundlos an. In diesem Fall ein Vorteil für uns Touristinnen. Andererseits habe ich keine Probleme irgendwo hin zu gehen, sei es ins Teehaus (auch wenn da nur Männer sitzen) oder irgendwo etwas einkaufen.   

 
zurück