Tagebucheintrag vom 12.11.2005
 
Wenn die Fluegel wieder schwingen - von Steffen
 

Hama, den 12.11.2005
Unsere Schwalben haben wieder jeweils einen Gasgriff. Der Weg dahin war nicht ganz geradlinig, aber immerhin, wir haben ein Ersatzteil dass sich mit mehr oder weniger schwerem Geraet auf die Belange unserer Voegel zurechtdengeln liess.
Der Reihe nach. Der gestrige Freitag, also muslimische Sonntag, liess natuerlich den heutigen Samstag, sprich Montag, etwas ruhiger angehen. Doch gegen halb zehn machten wir uns dann stilvoll in einem Buick Jahrgang 1951 auf Ersatzteilsuche. Unser Fahrer hatte auch den richtigen Riecher und so fanden wir ziemlich schnell einen Laden der einen Gasgriff taiwanesischer Herkunft im Regal liegen hatte der zumindest einige Grundvoraussetzungen fuer eine Adaption auf Simson engineering zuliess: die ominoese Mitnehmerschnecke im Inneren des Rohrs.
Beim Schlosser um die Ecke wurde das Rohr dann abgesaegt und das Loch fuer die Blinkerschraube gebohrt.
Das sah dann doch ziemlich gut aus und voller Elan gings an die Montage. Die hat dann, vorsichtig ausgedrueckt, fast geklappt. Um das ganze passend zu machen mussten saemtliche Lenkeraufbauten nach rechts verschoben werden, bei den Fertigungstoleranzen einer Schwalbe kein Problem, was sind da schon drei Zentimeter ausserhalb der Mitte.
Der grosse Moment, einmal Gas gegeben und klack..., die taiwanesischen Schweisspunkte waren da wohl von aehnlicher Guete wie die vom ostdeutschen Pendant, jedenfalls Mitnehmerschnecke wieder abgebrochen.
Unsere arabischen Helfer vom Vormittag waren in der Moschee bzw. beim Essen und somit unabkoemmlich. Also, selber losgezogen um ein weiteres Taiwanteil zu besorgen (die Dinger sind nicht wirklich teuer, umgerechnet ein US-Dollar pro Stueck ), den Schlosser, den Bohrer...., dieses Land lebt von der Wiederholung von Ritualen.
Der Lieferant des ersten Taiwan Teils war zwischenzeitlich ausverkauft, hatte aber gerade einen Kunden da der mich auf seinem Moped (chinesischer Honda Nachbau), zu seinem (also dem kundeneigenen) Mopedladen mitnahm und der hatte noch einen dieser fantastischen Griffe.
Fi etneen, hast du zwei davon,  mein perfektes kauderwelsch arabisch half sogar ein bisschen, aber er hatte leider keine zwei mehr, ich haeette die natuerlich sofort aufgekauft.
Beim freundlichen Schlosser nebenan gab es dann Schraubstock und Saege und Tee fuer den leicht verdreckten Gast aus Alemania, mafish mushkill, alles kein Problem.
Die Bohrmaschine fuer das notwendige Loch stand dann wieder zwei Strassen weite, mit letzter Kraft und dem besten Bohrer des Hauses wurde auch dieses Werk vollbracht.
Zurueck zu Claudia die bei unseren Voegeln die Stellung gehalten hatte. Zwischenzeitlich war der Besitzer des benachbarten Saftshops vorbeigekommen, er spricht Deutsch und faehrt eine Vespa, wir beschliessen ihn gegen spaeter in seinem Laden zu besuchen.
Der zweite Anlauf, wie ein rohes Ei wird das fernoestliche Produkt an die weisse Schwalbe angebaut, die blaue Diva hatte sich einer Montage rundweg verweigert, passt einfach nicht (Fertigungstoleranzen, siehe oben).
Schliesslich wieder alles zusammengebastelt, auf den Kickstarter gehuepft, laeuft, Gasgeben klappt auch...uff, geschafft!
Wir erkundigen uns beim Hotelbesitzer ob wieder ein Kinderfestival ansteht, der verneint, also koennte das Morgen mit der Weiterreise nach Damaskus ja vielleicht sogar klappen.
Nach dem Essen schlendern wir noch ein bisschen durch die Stadt. Vor einer der zahllosen Konditoreien spricht mich Raed Abbas an. Er arbeitet als Englischlehrer und wir beschliessen gemeinsam in den Teegarten mit der Aussicht auf die knarrenden Wasserraeder zu gehen.
Raed ist sehr zufrieden mit der augenblicklichen Fuehrung seines Landes. Praesident Bashar ist bei den juengeren Syrern sehr beliebt und seine Politik findet die Unterstuetzung einer Mehrheit der Bevoelkerung. Von den Regierungen der Nachbarlaender Jordanien und Agypten haelt er dagegen nicht allzu viel. Die Politik sei zu Israel-l freundlich und von den Amerikanern diktiert, nicht gut fuer arabische Staaten.
Seine eigene Lebensplanung sieht er ziemlich gradlinig, erstmal Studium beenden, Beruf und dann heiraten, maximal ein Kind egal ob Junge oder Maedchen. Zuhause sind Sie zwoelf Geschwister, eindeutig zu viele meint Raed.
Seine Freundin ist ebenfalls Lehrerin und moechte auch in Ihrem Beruf arbeiten. Das Heiratsalter in Syrien ist im Durchschnitt bei den Maennern 28 -30 Jahre, bei den Frauen 22-26 Jahre, soviel anders wie bei uns hoert sich dass nicht an.
Wir tauschen noch die e-mail adressen aus und machen ein Abschiedsfoto, den Tee duerfen wir nicht bezahlen, typisch fuer dieses wundervolle gastfreundliche Land.
Wir kaufen uns eine neue Lektuere fuer den Abend, die Tage sind sehr kurz. Um kurz nach vier faengt es an zu daemmern, um fuenf ist es stockfinstere Nacht.
Die Syrian Times bringen die Rede von Praesident Bashar al-Assad im vollen Wortlaut ueber sechs Seiten, das sollte fuer eine Weile reichen. Immerhin, die Regierungsneubildung im fernen Berlin ist mit einem zweispaltigen Bild und geschaetzten fuenfzig Zeilen vertreten.

 
Raed und Claudia
Raed und Claudia
Lesestoff fuer mehrere Tage
Lesestoff fuer mehrere Tage
Pontiac Jahrgang 51
Pontiac Jahrgang 51
 
Steffen bei der Reparatur
Steffen bei der Reparatur
Taiwanesische Ersatzteilbox
Taiwanesische Ersatzteilbox
 
 
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