Tagebucheintrag vom 24.04.2005
 
Wo der Hirsch röhrt und Bill Ramsey jault Kreidler-Ausstellung im Deutschen Zweirad- und NSU-Museum in Neckarsulm
 
„Ich will Kreidler fahr’n, ich will Kreidler fahr’n“, jault Bill Ramsey voller Inbrunst in einem Werbesong für die Mopedschmiede aus Kornwestheim bei Stuttgart. In den 60er Jahren haben sich die Werber halt noch was einfallen lassen. Was, das kann man zurzeit im „Zweirad- und NSU-Museum“ in Neckarsulm bei Heilbronn sehen. „Kreidler – auf zur Jagd mit Schwabenpfeil und Florett“ heißt die Sonderausstellung, die bis Oktober alle Modelle der legendären Mopedschmiede aus dem schwäbischen Kornwestheim zeigt.

Außer Mopeds wird noch allerhand anderes gezeigt, um die alten Zeiten darzustellen – ein komplettes Wohnzimmer samt röhrendem Hirsch an der Wand – und was Jugendliche zu jener Zeit bewegt hat. Alte Bravo-Hefte sind ausgestellt, Schallplatten von Vico Torriani bis Suzi Quatro, Kofferradios und tragbare Plattenspieler, Beispiele für Werbung wie die Kreidler-Songs von Bill Ramsey und als einer der absoluten Höhepunkte eine Sendung des TV-Dauerbrenners „Der 7. Sinn" aus dem Jahr 1978. Was in den 70er Jahren als ernste Verkehrserziehung gedacht war, ist heute ein Brüller und die Besucher schütteln sich vor Lachen. „Mofas, die Schrecken der Straße“ zeigt die 40-Jährigen von heute als „Rudel“ motorisierter Rotzlöffel von damals, die keine Gelegenheit auslassen, mit ihren knatternden Mopeds anständige Leute zu ärgern oder ständig aus lauter Leichtsinn zu verunglücken. Die Sendung traf übrigens eine damals herrschende Meinung: Moped zu fahren sei das gefährlichste, was ein Jugendlicher machen könne. Die Folge war, dass sich viele Eltern standhaft weigerten, dem Nachwuchs ein Moped zu finanzieren, was dieser allerdings Ende der 70er Jahre nicht nur zum Fahren brauchte. „Ein Moped war ein wichtiges Mittel zum Ausdruck jugendlicher Identität“, lernt man in der Ausstellung.

Tatsächlich war Ende der 70er Jahre jeder dritte Mopedfahrer pro Jahr einmal in einen Unfall verwickelt. Allerdings nicht nur Kreidler-Fahrer: Ebenfalls sehr beliebt waren Marken wie Zündapp, Hercules, Puch oder Maico. Die Folge: Die Versicherungspolicen für die 50-Kubik-Maschinen erreichten astronomische Höhen. Außerdem wurde die Helmpflicht und die Führerscheinpflicht für Mofafahrer eingeführt, was der Firma Kreidler schließlich das Genick brach. Nach zwei Jahrzehnten, in denen das Geschäft geboomt hatte, knickte der Absatz ein. 1982 musste Kreidler Konkurs anmelden. Was danach noch unter dem Namen auf den Mark kam, stammte nicht mehr aus Kornwestheim, sondern war aus Fernost importiert.

 
 
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